Bertolt Brecht, An die Nachgeborenen


1898

1956

"Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten"

 

   

Text im Netz:

http://www.lyrik-anthologie.de/lyrik/brecht_nachgeborene.htm

 

Text hören:

Vorlage für die Aufgaben und Quellen des Vortrages: http://users.skynet.be/lit/brecht.htm

 

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Biografie B.B.

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BrechtBertolt/

 

Analyse

 „An die Nachgeborenen“ ist ein Gedicht, das eine finstere Zeit beschreibt. Dieses Gedicht ist in drei Teile untergliedert. Im ersten Teil beschreibt der Dichter, dass eine „finstere Zeit“ herrscht. Er beschreibt sie mit Unempfindlichkeit, mangelnder Redefreiheit und der großen Spanne zwischen Armut und Reichtum.

Im zweiten Teil des Gedichtes wird beschrieben, wie das lyrische Ich sich selbst in dieser „finsteren Zeit“ verhält. Es geht respektlos mit Liebe, Natur und Leben um.

Der dritte und letzte Teil des Gedichtes ist ein Appell an die nächsten Generationen. Das lyrische Ich warnt davor, nicht wie seine Generation zu handeln, sondern aus den Fehlern der letzten Generation zu lernen.

Das Gedicht besteht insgesamt aus 13 Strophen ohne Reimschema.

Der erste Teil des Gedichtes besteht aus fünf Strophen. Der einleitende Satz des Gedichtes lautet: „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“ (Zeile 1) Dieser Satz erscheint wie eine Erkenntnis, besonders deutlich wird das durch das „Wirklich“. Es lässt vermuten, dass nachgedacht wurde und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass keine gute Zeit herrscht. Ein anderes Merkmal für eine Erkenntnis ist das Ausrufezeichen am Ende des Satzes. Diese Ausrufezeichen zeigt noch einmal die Wichtigkeit dieser Erkenntnis.

In den nächsten Versen der ersten Strophe wird erklärt, dass diese finstere Zeit noch gar nicht erkannt wurde. Wörter wie „töricht“ (Zeile 2), „Unempfindlichkeit“ (Zeile 2) und „Der Lachende“(Zeile2) bestätigen die mangelnde Erkenntnis über den Ernst der Lage.

In den nächsten drei Strophen wird die Ungerechtigkeit zwischen den Leidenden und Zufriedenen beschrieben. Die eigene Lage wird als Glück beschrieben, das sich aber ganz schnell wieder ändern kann. „Wenn mein Glück aussetzt /bin ich verloren“ (Zeile 15)

In der letzten Strophe des ersten Teils denkt das lyrische Ich über den Begriff „weise“ nach. Es bezieht sich auf die früheren Auslegungen und Bedeutungen des Wortes „weise“.  „In den alten Büchern steht / was weise ist“ (Zeile 23) Hier merkt man sehr gut, dass Brecht seine Ideale mit einbringt und sie als Lösung für die Probleme sieht. Die Ideale, wie zum Beispiel ,,Böses mit Gutem zu vergelten“ (Zeile 27)  kommen aus der Bibel, die Bertolt Brecht mitunter sehr geprägt hat.

Ein anderer interessanter Aspekt im Gedicht ist, dass die letzte Strophe genau so endet wie das Gedicht anfängt. Nämlich mit dem Satz: „Wirklich, ich lebe in Finsteren Zeiten“. Es wurde eine Erkenntnis gemacht (Zeile 1), diese Erkenntnis wird begründet (Strophen 2-4) und in der letzten Strophe wird der Rat der früheren Generationen in betracht gezogen. Die letzen Beiden Verse der fünften Strophe  gehören eng zueinander denn in den Versen davor raten „die alten Bücher“ (Zeile 23) um weise zu sein gewaltlos zu leben, gut und furchtlos zu sein und seine eigenen Bedürfnisse zurück zu stellen. Doch die letzen Beiden Verse Lauten: „Alles das kann ich nicht: Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“ Das lässt vermuten, dass es auch sich selbst die Schuld für diese  ,,Finstere Zeit“ gibt.

 Der zweite Teil des Gedichtes besteht aus vier Strophen. In diesen Strophen wird deutlich, warum das lyrische Ich sich Mitschuld an dies schlechte Zeit gibt. Denn schon in der Ersten Strophe erklärt das lyrische Ich, dass es sich mit auf den Aufruhr und die Empörung einließ. Ganz im Gegensatz zu dem Rat der Alten Bücher in Zeile 24-25: „ Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit ohne Furcht verbringen“ 

In der nächsten Strophe beschreibt es, wie falsch es mit Leben, Liebe und Natur umgegangen ist. „Schlafen legte ich mich unter die Mörder/ Der Liebe Pflegte ich achtlos/ Und die Natur sah ich ohne Geduld.“  Diese Taten widersprechen nochmals dem Rat der alten Bücher: „Auch ohne Gewalt auskommen Böses mit Gutem vergelten“ (Zeilen 26-27)

Auffällig an diesem zweiten Teil des Gedichtes sind die abschließenden Sätze in jeder Strophe. Sie enden alle: „So verging meine Zeit /die auf Erden mir gegeben war“ (Zeilen 36-37,  42-43, 48-49, 54-55). Das Schlüsselwort „Zeit“ hat in diesem Gedicht einen hohen Stellenwert; es kommt zwölf Mal vor, allein acht Mal im zweiten Teil des Gedichtes. Im Leser erweckt es den Anschein, als ob das lyrische Ich bereut, diese ihm gegebene Zeit falsch eingesetzt zu haben.

Der letzte Teil des Gedichtes erscheint wie eine Warnung und wie ein Appell an die Zukunft.

In der ersten Strophe des  dritten Teiles richtet sich das lyrische Ich an die Menschen, die aus dieser schrecklichen Zeit hervorgehen werden. Es warnt sie, nicht dieselben Fehler zu machen wie in der Vergangenheit. Durch die Anapher in Strophe drei des letzten Gedichtteils wird die späte Erkenntnis des lyrischen Ichs noch einmal verdeutlicht. Die Wiederholung des „Auch“ lässt Verzweiflung über das Unveränderbare, das passiert ist, erahnen.

In der letzten Strophe ist es interessant zu beobachten, dass der letzte Satz in zwei Verse aufgeteilt ist. ,,Gedenkt unsrer / mit Nachsicht“ (Zeilen 74-75). Die nächste Generation soll sich zwar an diese schreckliche Zeit erinnern, dies aber mit Sinn, damit nicht mehr das Gleiche passiert. Doch gerade hier wird es paradox. Denn die Ratschläge der „alten Bücher“, wie sie in Strophe fünf des ersten Teils zu finden sind, sind nicht viel anders als die Warnungen des lyrischen Sprechers im gesamten Gedicht. Doch am Ende der fünften Strophe sagt das lyrische Ich selbst, dass es die Ratschläge vergangener Generationen nicht einhalten kann. Somit ist zu erwarten, dass trotz aller Warnungen und Ratschläge vergangener Generationen immer wieder eine „Finstere Zeit“ anbrechen kann.    

Paul