Betriebliche Wirklichkeit kommt ins Klassenzimmer  SZ>>>22.06.05


 

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Gesamtschule Eiserfeld und Vetter Fördertechnik besiegeln Partnerschaft

juli Eiserfeld. Viele Schulabgänger finden keine Lehrstelle, Firmen klagen über Qualifikationsmängel vieler Bewerber um einen Ausbildungsplatz – in der Gesamtschule Eiserfeld und bei der Firma Vetter Fördertechnik GmbH macht die Not erfinderisch: Gestern besiegelten Rektor Joachim Pfeifer sowie die Geschäftsführer Klaus Vetter und Norbert Hammes eine interessante Partnerschaft. Sie unterzeichneten einen Kooperationsvertrag mit dem Ziel, Schule und Wirtschaft miteinander zu verzahnen - zum gegenseitigen Nutzen.

»Schon seit vielen Jahren machen Gesamtschüler bei uns Praktika, und zu den Lehrern besteht ein gutes Verhältnis«, berichtet Firmeninhaber Klaus Vetter. Mit der Vertiefung der Beziehungen soll die Zusammenarbeit auf eine stetigere und intensivere Ebene gehoben werden, erklärt Christoph Schnittert, verantwortlicher Lehrer für die Partnerschaft. Lehrerkollegium und Geschäftsführung haben sich auf vier Leitlinien der Zusammenarbeit verständigt: Berufsorientierung, Unterricht, Schulentwicklung und Kommunikation.

Stichwort Berufsorientierung: Für einen reibungsloseren Übergang von der Schule ins Berufsleben sollen die Schüler sich zum einen über sich selber und ihre Interessen klar werden. Zum anderen sollen sie sich fundiertere Berufsbilder bilden, bevor sie sich bewerben und ins Arbeitsleben eintreten. Außer den Schulpraktika in den Jahrgangsstufen neun bis elf, die es schon lange gibt, sollen Auszubildende der Firma mit den Schülern Betriebserkundungen unternehmen, die sie zuvor gemeinsam erarbeitet haben.

Stichwort Unterricht: In verschiedenen Fächern lassen sich vielfältige und spannende Bezüge zu vielen Facetten der aktuellen und zukünftigen Wirtschaft und Gesellschaft herstellen. Dazu sollen die betriebliche Wirklichkeit und die Erfahrungen des Eiserfelder Traditionsunternehmens im Klassenraum verwertet werden. Außer in den Fächern Sozialwissenschaft und Technik kann sich der Komplex so auch in Kunst und Geschichte niederschlagen.

Stichwort Schulentwicklung: Auch die Klassenlehrer der neunten bis elften Jahrgangsstufen sollen aktiv an sich arbeiten. Um die wirtschaftliche und betriebliche Realität stärker in den Unterricht einzubeziehen, lernen sie in dreitägigen Praktika bei Vetter alle Unternehmensbereiche kennen. Zudem kann die Schule durch Sponsoring von der Firma Vetter profitieren und indem der Betrieb sie bei der Materialbeschaffung sowie bei der Beratung in praktischen Fragen unterstützt, etwa im Technik- und Kunstunterricht.

Stichwort Kommunikation: Zur Steigerung des gegenseitigen Verständnisses von Schule und Betrieb sollen Unternehmenskultur und Schulkonzept in regelmäßigen Treffen und Veranstaltungen beleuchtet werden. Auch nach außen hin wollen die Partner ihre Projekte publik machen und auf ihren Internetseiten über ihre Partnerschaft informieren. Die Partnerschaft soll als feste Einrichtung in den Schulalltag integriert werden. Der Vertrag ist zwar lediglich eine Absichtserklärung, dies dürfte die engagierten Partner aber nicht von der Ernsthaftigkeit abhalten, mit der sie ihr Vorhaben verfolgen. Vetter sieht auf jeden Fall dringenden Handlungsbedarf bei der Vermittlung der modernen Arbeitswelt: »Fast alle wollen in die so genannten weiße Kragen-Berufe«, schildert der Unternehmer seine Erfahrung.

Dabei machten sich auch Konstruktionsmechaniker heute kaum noch die Hände schmutzig, müssten vielmehr mit Computern umgehen. Die Notwendigkeit zur Aufklärung stellte auch Norbert Hammes fest, als er einer Gesamtschulklasse vor zwei Wochen vom Ausbildungsalltag erzählte. »Die Schüler waren regelrecht geschockt«, bestätigt die Lehrerin Ira Scheele-Hein. Die Idee zur Partnerschaft entstand in Anlehnung an ein Konzept der Stiftung »Partner für Schule«, in dem Konzerne wie Siemens und Bayer mit Schulen kooperieren. Im mittelständisch geprägten Siegerland planen die Lehrer der Gesamtschule, langfristig ein Netzwerk zu Firmen zu knüpfen, mit denen sie ähnliche partnerschaftliche Beziehungen entwickeln wollen wie jetzt zur Firma Vetter. Es geht auch darum, andere Branchen ins Boot zu holen.

Zunächst soll zwar das Pilotprojekt der Eiserfelder Nachbarn Formen annehmen, doch das Kollegium freut sich auch über die Kontaktaufnahme interessierter Unternehmen.