„Ein Volk, das nicht gedenken kann, kann seine Zukunft nicht kennen.“

[2024-02-01 FUNK, NOWA] Dies war eine der zentralen Botschaften, die der Holocaust-Überlebende Avigdor Neumann in einem digital organisierten Zeitzeugengespräch seinen Zuhörern, neben den Q1 und Q2-Leistungskursen Geschichte der Gesamtschule Eiserfeld vielen weiteren Schüler:innen aus Schulen aus dem Kreisgebiet, mitgeben wollte. Er will mit seinen Berichten gegen das Vergessen kämpfen. Auf die Frage, wie seine heutige Beziehung zu Deutschland ist, führte er aus, dass die heutige Generation zwar keine Schuld trägt, aber in der Verantwortung steht, dazu beizutragen, dass das, was ihm und seiner Familie widerfahren ist, Menschen nie mehr erleiden müssen. Allein ein Blick auf die derzeitigen Konflikte in der Welt zeigen, wie wichtig diese Botschaft ist.
Die Veranstaltung fand als Bestandteil von „Gedenken im Wohnzimmer“, einer Kooperation des Kreisjugendrings Siegen-Wittgenstein, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und dem Council Emek Hefer aus Israel. Anlass war der internationale Holocaustgedenktag am 27.Januar (Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau). Ein Mitschnitt des etwa 90minütigen Gespräches wird zeitnah über den Kreisjugendring Siegen-Wittgenstein über youtube veröffentlicht.

In sehr eindrücklichen Worten schilderte Avigdor Neumann seine Erlebnisse. Er wurde 1931 in der heutigen Ukraine als eines von sechs Kindern geboren. Aus dem dortigen Ghetto erfolgte die Deportation nach Auschwitz-Birkenau, wo er die Einteilung der Juden in „Arbeitsfähige“ und im NS-Jargon „Wertlose“ erlebte. Zu letzter Gruppe gehörten vor allem Frauen, Alte und Kinder, die nach Ankunft im Lager separiert und der Ermordung in Todeskammern zugeführt wurden. Neumann belog den NS-Arzt Mengele, er machte sich älter und gab handwerkliche Kenntnisse an. Dies rettete ihm vorerst das Leben, er „durfte“ mit Vater und Bruder Arbeitsdienst verrichten. Trotz Mangelernährung, rudimentär ausgestatteten Unterkünften und unmenschlicher Behandlung überlebte Avigdor Neumann das Lager und den sogenannten „Todesmarsch“, auf dem die verbliebenen Häftlinge das Konzentrationslager verlassen mussten, als der Einmarsch der roten Armee unmittelbar bevorstand. Nach der Befreiung wanderte er nach Israel ein – wieder unter schwierigen Bedingungen, da die britische Regierung, die das Mandat über Palästina verwaltete, die Ausreise verweigerte. Er wurde dennoch Zeuge der Gründung des Staates Israel, in dem er eine Familie gründete und wo bis heute lebt. Für seinen Zeitzeugenbericht wurde er live aus Israel zugeschaltet – Avigdor Neumann endete mit den Worten, dass es seine persönliche Rache an Hitler sei, 41 Urenkel zu seinen Nachfahren zählen zu können.