„Wir sind es den Toten schuldig!“

[2022-02-01 NOWA] Zeitzeugin Michaela Vidláková, Überlebende des Konzentrationaslagers Theresienstadt, besuchte am vergangenen Donnerstag (27.1.) am Holocaustgedenktag, virtuell unsere Schule.

Die SchülerInnen der Oberstufe sowie Steffen Mues und die KollegInnen der Fachschaft Geschichte,  hatten am vergangenen Donnerstag die Möglichkeit via Liveschaltung aus Prag dem eindrucksvollen Vortrag der im Jahr 1936 geborenen Zeitzeugin Michaela Vidláková zuzuhören. Hierbei berichtete sie über ihre persönliche Familiengeschichte und Kindheit, welche sie seit Übernahme Tschechiens 1939 im sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren durch die Nationalsozialisten in dem Konzentrationslager Theresienstadt ab Dezember 1942 verbrachte.

Zu Beginn der Veranstaltung richtete Bürgermeister Steffen Mues eine Danksagung an Michaela Vidláková. Hierbei hob er besonders das jahrzehntelange Engagement der Zeitzeugin im Einsatz für die Aufklärung und Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten hervor, dankte ihr für ihre Verbundenheit in die Siegerländer Region und verwies eindrücklich auf die Notwendigkeit der Erinnerungskultur, die auch in Siegen von vielen engagierten Vereinen, Gesellschaften und Schulen mitgetragen wird. Die Arbeit dieser Stellen und der unermüdliche Einsatz der Überlebenden schaffe somit nicht nur die Erinnerung aufrechtzuerhalten, sondern sie schafft auch Verbundenheit, welche besonders vor dem gegenwärtigen aufflammen rechten Populismus und Antisemitismus besonders wichtig ist.

Michaela Vidláková begann ihren Vortrag zunächst mit einer Darstellung ihrer Familiengeschichte und stellte zu Beginn klar, dass ihre Familie lediglich durch glückliche Umstände dem Tod entkommen sei. Sie war zwei Jahre alt als ihr Land besetzt worden sei, 6 Jahre alt als ihre Familie nach Theresienstadt deportiert wurde und 8,5 Jahre alt als sie von der Roten Armee befreit worden sei. Danach lebte sie bis zur Wende 1990 in dem kommunistischen Regime, studierte und arbeite in einem medizinischen Labor. Seit Anfang der 1990er Jahre, zu dem Zeitpunkt als sie „endlich frei geworden waren“, begann sie mit der Arbeit als Zeitzeugin.

In ihrer Präsentation verdeutlichte Michaela Vidláková die Etappen der nationalsozialistischen Machtergreifung und stellt klar, dass ihre Erinnerungen etwa ab 1942 einsetzen. Dem Holocaust konnte ihre Familie aufgrund eines kleinen Holzhundes, welchen sie als Kind mit nach Theresienstadt nahm, entkommen. Dieser kleine Spielzeughund, den die liebevollen Eltern ihrer Tochter mit in das Gepäck legten, stammte aus der geschickten Hand ihres Vaters. Seine handwerklichen Fähigkeiten konnten durch das Spielzeug bewiesen werden und sein Einsatz in einer Holzwerkstatt in Theresienstadt rettete der Familie Lauscher schlussendlich das Leben, bewahrte sie vor den Deportationen in die zahlreichen Konzentrationslager. Inne halten mussten alle Anwesenden als Michaela Vidláková die Dimensionen der Auslöschung jüdischen Lebens durch die Nationalsozialisten mit Hilfe einer Fotografie verdeutlichte, auf welcher ihre Mutter, Lehrerin einer jüdischen Schule, in einer Reihe von etwa 35 SchülerInnen einer 9. Klasse zu sehen war. Von dieser Klasse überlebte neben ihrer Mutter nur ein junges Mädchen. Es seien viele glückliche Zufälle gewesen, die es der Familie Lauscher ermöglichten den Holocaust zu überleben.

Am Ende ihres Vortrages richtete Michaela Vidláková folgende persönliche und bewegende Worte an die SchülerInnen und Anwesenden:

 „ Das war der Holocaust, hier sind Millionen von Juden umgebracht worden. Ich kann euch nur wünschen: ihr sollt nie so etwas erleben müssen. Ich kann mir und euch wünschen, ihr sollt euch nie an solchen Verbrechen beteiligen, ihr sollt gesund bleiben, ihr sollt immer ein Dach über dem Kopf und genug zum Essen haben und in Frieden und mit euren Kameraden und Familien weiterleben.“

Im Anschluss an den Vortrag Michaela Vidlákovás, hatten die SchülerInnen die Gelegenheit Werner Stettner, einem langjährigen Freund und ehemaligen Lehrer, Fragen zu stellen, da die Zeitzeugin zusätzlich zu den Schulvorträgen am Tag im Außenministerium Prag referierte.
Die SchülerInnen trugen viele Fragen vor, die Werner Stettner beantwortete. Viele emotionale Eindrücke, persönliche Erinnerungen und Erfahrungen von Michaela Vidláková schafften es in eindrucksvoller Weise, das Nachdenken und Innehalten zu verstärken, an einem so wichtigen Tag im Gedenken an das vor 77 Jahren befreite Auschwitz, in Gedanken an die Millionen Opfer des Holocaust und ihren Angehörigen.

Wir danken Michaela Vidláková und allen Beteiligten herzlich und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen.